Der Auftakt zum Run for Children
7 Monate, 7 Kontinente, 7 Multistage Läufe. Ein straffes Programm, dass mit dem „The Hidden Treasure Albania“ am 9. September 2018 begann. Der Lauf über 220km war fordernd und technisch anspruchsvoll, kein einfacher Auftakt.
1. Etappe. 38km. 1100HM
Es geht los! Der Run for Children ist auf dem Weg. Pünktlich um 8 Uhr ging’s auf der Promenade in Berat los. So langsam kenne ich das Prozedere und lasse mich auf den ersten Kilometern nicht mehr zu Sprints hinreissen. 20km in ein Tal hinein, stetig leicht bergan. Dann 8km einfach mal hoch. Steile Rampen, auf steinigen Wegen, technisch nicht einfach. Von oben nochmal 8km runter bis ins Ziel in eindm kleinen Dorf. Übernachtung heute ist in einer Schule. Hier sind noch Ferien.
Für’s Auge gab’s grüne spitz aufragende Bergkuppen, Weideflächen, Hügel und viel grün. Und Steine: Kieselsteine und Felsen, spitze und runde, nasse und trockene, feste und lose. Steine, Steine, Steine. Und da musste es auch passieren: der gerade nachgewachsene Zehnagel wird sich wohl nach einem harten Tritt gegen einen dieser Steine wieder verabschieden. Noch nicht einmal 1 Jahr bei mir, haben wir die längste Zeit miteinander verbracht.
Beine hoch. Relaxen. Sonntag geniessen. Bis morgen!
Ah, by the way. 5. Tagesrang. Mehr geht nicht…
2. Etappe. 31km. 1200HM
Was soll ich heute schreiben? Von der Gastfreundschaft im Homestay und dem ausgiebigen Abendessen, dass sie extra für uns zubereitet haben? Von den abwechslungsreichen Singletrails heute? Von der Kameradschaft unter den Läufern? Von dem Tag, der nicht unbedingt meiner war? Sicher alles Themen, die lohnenswert sind.
Ich schreibe aber stattdessen über meine fehlende Konzentration, bzw. Nachlässigkeit während des Tages. Wer mich kennt weiss, dass verlaufen bei mir zu jedem längeren Laufevent dazugehört. Egal ob im Dschungel Kambodschas, in Patagonien oder während des Salzwüstenlaufs in Indien. Es geht scheinbar nicht ohne. Aber gleich 3x an einem Tag? Wie blöd muss man da sein? Gar nicht allzu sehr. Mir ist es heute zumindest gelungen. Keine weiteren Kommentare notwendig…
Habe dadurch etwas Zeit und einen Platz verloren. Der Tanz durch die Steine ging weiter. Nicht nur bergan sehr fordernd, auch bergab kommt man da nicht auf Tempo. Und es geht in die Beine. Der Blick muss immer schon zwei Schritte voraus sein. Und doch kommt man ab und an ins Straucheln. Eher eine kurze Strecke heute, aber keine einfache Etappe.
Meine Knöchel haben bei dem Eiertanz ganz schön gelitten. Nach ausgiebigen Dehnen und Mobilisieren sollte das morgen aber wieder passen. Die kommende Nacht verbringen wir bei einer Familie. Sieben Läufer pro Haus. Sie haben Wohn- und Schlafzimmer für uns geräumt. Da sollte man bei uns mal jemanden sagen…
3. Etappe. 56km. 2000HM
Viel gibt es von der ersten echten Ultra Etappe nicht zu berichten. Meinen Vorsatz konzentrierter ranzugehen und mich nicht zu verlaufen, habe ich zu 100% umgesetzt. Die ersten 25km auf selektiven Singletrails waren der Hammer. Danach gings über Schotterpisten und Teerstrassen ins Tagesziel. Erwähnenswert die brütende Hitze. Hat ganz schön geschlaucht. Und bei Ankunft am Camp waren die einzigen Schattenspendender ein paar Autos. Die Temperaturen liegen momentan über 30°C. In der prallen Sonne weit über 40°C.
4. Etappe. 38km. 1500HM
Erster von sieben Multistage in den nächsten sieben Monaten auf 7 Kontinenten für den Run for Children.Nach der gestrigen langen Etappe war früh Ruhe im Camp. 20 Uhr liegen hier alle in der Koje, bzw. im Schlafsack. Damit dann spätestens 5 Uhr die ersten Nervösen für Unruhe sorgen.
Von gestrigen Ziel an einem ausgetrockneten See starten wir heute Richtung Mesopotam. Der erste Ort auf dem Weg dahin ist schnell erreicht. Lazarat, fall das jemanden etwas sagt. Hat in früheren Jahren zwielichtige Berühmtheit erlangt. An den Hängen der Berge war das grösste Mariuhana Anbaugebiet Europas versteckt. Mittlerweile sind die Plantagen vernichtet und die Hauptverdiener haben sich aus dem Staub gemacht. Bis vor ein paar Jahren war es für einen Fremden nicht möglich, den Ort zu besuchen.
Für uns bleibt das erstaunlich reich wirkende Dorf in anderer Erinnerung. Ab hier geht es 6km steil bergan. Wir kommen heute zum höchsten Punkt des Wettkampfs. 1350m klingt nicht hoch. Der Weg ist aber das Herausfordernde. Über loses Gestein geht es richtige Rampen hoch. Ist wie auf einer Kieshalde laufen. Einfach über 6km. Oben angekommen dann ein traumhafter Blick bis zum Meer. Die Insel Korfu liegt uns zu Füssen. Und so wie es hoch geht, muss man auch wieder runter. Technisch anspuchsvoll. Laufenlassen geht hier nicht.
Die gefürchteten albanischen Hütehunde haben noch nicht zugeschlagen. Hatte heute kurz mal zwei laut kläffend um mich rum. Aber schon nur das Bücken nach einem Stein und die Andeutung zu werfen genügt, um sie in die Flucht zu schlagen.
Morgen steht die letzte lange Etappe an. Und deshalb wird auch heute wieder früh das Licht gelöscht.
5. Etappe. 43km. 1500HM
Der letzte lange Lauf hier in Albanien. Morgen folgt nur noch der Zieleinlauf über 14km. Heute gings aber nochmal zur Sache. Splitstart, d.h. die Langsameren starten bereits 6 Uhr. Wir folgen um 7 Uhr. Das ist insofern gut, dass man die anderen Teilnehmer auch mal während des Laufs sieht. Beim Überholen.
In den vergangenen 5 Tagen wurde im Schnitt jeweils ein Marathon absolviert. Das hinterlässt bei den meisten Spuren. Beim Überholen kommen einem dann zuerst die Fusslahmen vor die Linse. Das Zuschauen tut schon weh. Humpelnd schaffen sie es irgendwie bis ins Ziel. Riesen Respekt vor den Leistungen. Aufgeben gilt nicht.
Ich hatte heute auch meine erste kleine Krise. Die letzten 10km Downhill haben mir recht zugesetzt. Plötzlich tat da in der rechten Schienbeinmuskulatur was weh. Einbildung? Eine Dorne in der Socke verfangen? Oder doch muskulär? Gehpausen taten gut. Also run&hike. Habe mich irgendwie ins Ziel geschleppt. Pritschebreit. Ausgelaugt von der Sonne.
Die Strecke hatte es aber auch in sich. 25km relativ flach, was zum zu schnellen Laufen verleitete. Dann ging es wieder steil für 6km bergan. Steine und zur Überraschung heute: Dornenbüsche. Eine gute Gelegenheit, sich kurz vor Schluss die Kleider nochmal richtig zu zerfetzen. Und dann die besagten 10km runter mit einem kurzen Stück auf Asphalt bis ins Ziel.
Zu unserer Belustigung wird heute Abend im Ort ein Buffet aufgebaut und es gibt Folklore Darbietungen. Wenn schon Fremde im Dorf sind…
Der 6. Rang steht immer noch. Daran sollte sich auch nichts mehr ändern.
6. Etappe und „Schaulaufen“. 15km. 100HM
Fertig. Aus. Geschafft! Der erste von 7 Multistages in den nächsten 7 Monaten ist in Sack und Tüten. Es ist wie eine Erlösung, die letzte Etappe angehen zu können. Im Camp war morgens eine ausgelassene Stimmung. Alle heilfroh, die harte Nuss Albanien geknackt zu haben. Die 15km vergingen dann auch wie im Fluge. Unterbrochen von einer kurzen Fährüberfahrt endete die Woche an der Ziellinie hier im spektakulären Amphitheater von Butrint.
Absolut happy, dass ausser ein paar Defekten am Material körperlich alles heil blieb. Die Woche war ansprungsvoller als gedacht. Ein super Einsteig ins Projekt Run for Children. Während für die anderen eine wohl verdiente Pause ansteht, fliege ich heim und packe meine Sachen für den nächsten Lauf. In zwei Wochen geht’s nach Chile in die Atacama. 250km. Ob ihr’s glaubt oder nicht: ich freue mich drauf!
Vielen Dank an alle, die das Projekt und damit den Aufbau der Bibliothek in Mainapokhari bereits unterstützt haben! Wir sind auf gutem Weg im Herbst mit dem Bau des Gebäudes beginnen zu können. Damit wir auch dort die Ziellinie erreichen, sind wir auf die Unterstützung aller angewiesen. Alle Details und Spendeninfos findet ihr auf www.runforchildren.ch
Btw: mit Platz 6 sprang sogar noch eine akzeptable Platzierung raus. Glückwunsch allen Finishern!
Photos by GlobalLimits.