Wettkampf

24h Lauf Basel

Belastungstest für Run For Children – physisch und psychisch

Grenzen verschieben (oder sind die schon verschoben) – nächste Stufe. Die 24h von Basel. Eine etablierte Veranstaltung, 2018 fand bereits die 30. Austragung statt. Bis vor kurzem habe ich diese Art von Läufen kategorisch ausgeschlossen. Auf einer Strecke von 1,1km, flach, geteert, 24 Stunden im Kreis laufen? Wo liegt da der Sinn? Gibt es einen? Soll es einen geben? Der Veranstalter beschreibt den Lauf auch sinngemäss mit „über sich hinauswachsen“. Das muss man auch in Anbetracht der eintönigen Umstände. Aber so eintönig sollte es dann doch nicht werden…

Ein kleines Feld von 49 Startern aus 14 Nationen standen Samstag Mittag an der Startlinie. Punkt 12 Uhr ging’s los. Einige hatten ihre Zelte an der Strecke aufgebaut, andere brachten das Notwendigste in einem Koffer mit und fanden im allgemeinen Läuferzelt Platz. Eine illustre Truppe. Im Vorfeld hatte ich einiges über 24h Läufer gelesen. Die Einschätzungen früherer Teilnehmer konnte ich nun teilen. Auf den ersten Blick war an Leistungsniveau alles dabei. Von top ambitionierten Leistungssportlern bis zu Genussläufern, denen es nicht um die zurückzulegende Strecke, sondern um die Bewegung und das Dabeisein während der nächsten 24h ging. Über Normalität oder Abnormalität lässt sich ja bekanntlich streiten. Wobei ich selbstverständlich der Normalste hier war .

Bei 29°C drehten wir die ersten Runden. Ins Laufen kommen, das Gefühl und den Rhythmus finden. Natürlich wieder viel zu schnell. Aber niemand kennt die einzelnen Strategien: ein paar Stunden volle Pulle und dann Pausen, gleichmässig durch oder eine Mischung aus allem. Wie geht das Ganze hier auf? Für mich Neuland. Andere sind seit 25 Jahren (!) jedes Jahr hier in Basel dabei. Soviel zum Thema Normalität/Abnormalität. Ich hatte mir eine Taktik zurechtgelegt. Der erste Teil davon ging recht gut auf. Mental voll auf der Höhe verflogen 6h mit 59km. Aber genau das war der Punkt: Mental wollte ich in meinen Tunnel. Und da kam ich nie wirklich rein. Zu viel Ablenkung auf den angrenzenden Fussballfeldern, zu wenig Abwechslung durch die Umgebung. Wie soll ich den nächsten Block angehen?

Die kommenden 6h waren die stupidesten. Es ging in den Abend. Das Umfeld wurde ruhiger. Irgendwann waren nur noch wir Läufer und die Betreuer da. Ich konnte locker ein Ultratempo machen ohne grosse Besonderheiten. Habe dabei nochmals 48km abgearbeitet. Über diese Phase kann ich nicht viel erzählen, weil mir da einfach nichts hängengeblieben ist.
Kurz vor Mitternacht kam dann ein wesentlicher Wandel. Eine Gewitterfront sollte aufziehen und während ein bis zwei Stunden Regen und Abkühlung bringen. Das kam insofern nicht überraschend. Hat mich aber total aus der Bahn geworfen. Um 24 Uhr erfolgte dann auch noch der Start der 12 Stunden Läufer, die nun auf der gleichen Strecke unterwegs sind. Also 45 neue, ausgeruhte Sportler. Mittlerweile war das Feld der 24h Läufer auch schon etwas geschrumpft. Einige sind bereits abgereist, andere in längeren Pausen neben der Strecke. Igor und Rainer gingen auf ihre 12h. Das neue Tempo und die Dynamik, die die 12h Läufer mitgebracht haben, störte mich wenig. Da hatte ich bereits andere Probleme. Der Regen hat mich voll auf einer Laufrunde erwischt, bevor ich die Kleidung anpassen konnte. Oder anders ausgedrückt: ich habe mich zu spät auf den Regen eingestellt. Ein grosser Fehler. Die Temperatur fiel innert Minuten auf 10°C. Völlig durchnässt und verfroren kam ich am Zelt an. Kleider wechseln, Regenjacke drüber und wieder raus. Aber da ging dann schon nix mehr. Zähneklappernd beim Laufen habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich weiter vorgehe. Strategieänderung. Ab ins Zelt. In warme Decken und Kleidung gehüllt kurzer Schlaf. Kraft und Wärme tanken.

1,5h später wagte ich einen erneuten Versuch. Der Regen hatte aufgehört, die Kälte war geblieben. Nach ein paar Runden die Ernüchterung. Auch mit heissem Tee und Suppe wurde ich nicht mehr warm. Ein wenig Resignation kehrte ein. So brachte das nichts. Die Müdigkeit kam nun auch langsam dazu. Fühlte mich hundeelend. 16h waren um und ich hatte bereits 122km zurückgelegt. Ich konnte in diesem Moment nicht wirklich einschätzen, wo die Reise hier die nächsten 8h hingeht, wusste nur, ich brauche Wärme. Und die gab es auf der Matratze im Zelt. Während einer guten Schlafpause habe ich mich erholt und der Körper hatte wieder etwas Temperatur. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich, dass mein gestecktes Ziel ausser Reichweite lag. Die Nacht ging langsam zu Ende und ich konnte wieder klar denken. Was tun? Kräfte schonen und für den nächsten Wettkampf solide vorbereiten? Noch ein paar Runden drehen und meine Mitstreiter unterstützen? Igor lag solide auf Platz 3 und Rainer hatte sein gestecktes Ziel, das erste Mal im Leben über eine Marathondistanz zu laufen, auch bereits erreicht. Oder einfach mal eine Runde gehen und die Strecke in Ruhe anschauen. Auf den letzten 112 Runden kam ich irgendwie nicht dazu. Entschied mich für das Letztere. Mit Trekkinghose und Daunenjacke machte ich mich los. Wollte die Wärme nicht wieder hergeben. Genau da kam eine entscheidende Message von Coach Konrad Smolinski. Ich solle dranbleiben und die letzten 6h nutzen. Da geht noch einiges. Er setzte das Minimalziel auf 160km. Der letzte 6h Block brachte mir gerade mal 15km (!). Das Minimalziel schien für mich Lichtjahre entfernt.

Aber genau jetzt kommt die entscheidende Situation in solch einem Ultra: ich tippelte mal ein wenig. Ein paar Laufschritte. Das ging. Ging neben Rainer her und begann zu laufen. Das ging. Also mal eine Runde im Lauftempo. Das ging. Daunenjacke aus und in ruhigem Tempo weiter. Auch das ging. Warum also aufhören. Es gab keinen Grund. Konrad hatte recht. Noch einige positive Selbstgespräche und ich kam in einen Rhythmus. Konnte so bis zum Ende nochmals 42km abhaken. Nach 24h standen 149 Runden mit total 164,114km zu Buche. Nur während dieser letzten 6h habe ich so richtig meine Vorgabe eingehalten was Tempo und Taktik anging. Das hätte ich nie erfahren, wenn ich nach 18h aufgehört hätte.

Was für Erkenntnisse und Erfahrungen nehme ich sonst mit? Raus in die Natur zum Laufen ist entspannender. Eine Reise mit einem Lauf zu verbinden und neue Gegenden kennenlernen auch. Immer bis zum Schluss dranbleiben und wenn es zwischendurch auch mal nicht so läuft, kenne ich bereits, aber auch hier bin ich eine Kerbe im Holz weiter. Und ich habe meine längste Strecke ever während 24h zurückgelegt.

Das Ganze wäre so nicht möglich gewesen ohne die Unterstützung von Day und Sally Desanjose Pullirsch, die uns neben der Strecke während 24h perfekt betreut haben. Igor Kirsic und Rainer haben mich immer wieder motiviert. Glückwunsch aber auch an die beiden: Igor mit Platz 3 beim 12h Lauf und 115km. Und Rainer ist über sich hinausgewachsen und hat knapp 75km geschafft. Und last but not least ein riesen Dankeschön an Trainer Konrad und KS-Sportsworld für die Vorbereitung, die Unterstützung während des Lauf’s und den Kick im richtigen Moment!
Ich werde ab und an nach HF-Werten o.ä. während so einem Ultra gefragt. In den Bildern seht ihr die Aufzeichnung der Garmin. Die durschnittliche HF bezieht sich dabei auf die gesamte Dauer. In den Schlafpausen ging sie gegen 0.

Zum jetzigen Zeitpunkt schliesse ich einen erneuten Start bei einem 24 Stundenlauf aus. Aber manchmal kommt es anders als man denkt. Es gibt da noch einiges zu verschieben.

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